Roman Bühler's «Gold-C-Leistungsabzeichen»
3'000 m Überhöhung, 5 Stunden Dauerflug und 300 km freie oder ausgeschriebene Strecke. Die 300 km freie Strecke ergeben sehr weite Aufgaben, wenn man am Abend wieder zu Hause sein will.
So liegen die Wendeorte im Westen beim Mont Blanc und im Osten beinahe in Feldkirchen.
Meine Wahl fiel schlussendlich auf einen angemeldetes FAI-Dreieck, das ich mehr oder weniger lokal ausschreiben konnte. Mit einer voraus definierten Strecke kann man zusätzlich eine Diamant- Bedingung erfüllen. Grundsätzlich müssen nicht alle Disziplinen in einem Flug gemacht werden.
Überhöhung und Strecke können zeitlich auseinander liegen.
Endlich war es soweit. Toptherm-forecast für den Mittwoch 26. Juni 2019, Wolkenbasis im Engadin 5'000 m.ü.M!
Ein Wegpunkt (Bormio) des geplanten 370 km FAI-Dreieck, lag zusätzlich in diesem Bereich.
«Optimal» dachte ich und machte den Ventus um 09.00 Uhr startklar. Um die 3'000 m Überhöhung mit etwas Sicherheitsreserve zu erreichen, plante ich den tiefsten Punkt bei der Hohen Kugel auf 1'800 m.ü.M.
Ausgerüstet mit einem Sandwich, 1.5 Liter Trinkwasser und Sauerstoff startete ich um 11:00 Uhr in Altenrhein. Kurz vor meiner gesetzten Startlinie in Diepoldsau, stoppte ich den Motor, der mich zuverlässig auf die 2'200 m Höhe brachte. Triebwerk und Headset verstaut, eingerichtet für den Segelflug, zielte ich auf den Sattel zwischen «Seeli» und Freschen. Die Luft sah unendlich stabil aus, absolut stilles Gleiten bis 100 m über die Ostflanke des «Seelis».
Manchmal ist man mit wenig zufrieden, brauchte ich doch 45 Minuten bis ich die Abflughöhe von 2'200 m erreichte.
Am Breithorn dann auf 2'300 m und dann weiter zum Formarinsee.
Erwartungsvoll flog ich die üblichen Felskannten an; da war kein Aufwind zu finden! Immer tiefer, bald mal unter 1'800m, war wieder diese Stille. Der monotone Ton des Varios unterstrich meine Vermutung, zu tief zu stabil.
Ich startete das Solo-Triebwerk und motorisierte erneut auf 1'800 m zum «Seeli». «Jetzt mache ich es besser, nur noch den Hochalpen nach» dachte ich mir.
Diesmal flog ich vom Breithorn ins obere Lechtal, in dem die Thermik nicht wie üblich an den Hängen zu finden war, sondern weit im Tal draussen ging es schlussendlich auf 3'200 m. Danach zielstrebig Richtung Ischgl, wo ich schon öfter über den Lawinenverbauungen gute Aufwinde fand. Diese waren zwar da, aber kaum zentrierbar. Das Zeus-Instrument zeigte nun Windrichtung- und Stärke über 30 km/h und das aus Norden. Also Leethermik, und wie!
Ich war zwar nicht unter der Krete aber Material und vor allem ich kam an die Grenzen. Extrem eng kreisen, war schlussendlich das Rezept aus dieser Waschmaschine raus zu steigen.
Mit Rückenwind weiter nach Scuol, hatte da aber wegen dem gleichen Leeeffekt das Tal gequert und am Piz Nuna in etwas ruhigerer Thermik die 3'600 m erreicht.
Endlich waren sie da, die ersten Cumulanten mit den hohen Basen um 5'000 m.ü.M.
Um die Freigabe für den Flug über 3'900 m zu bekommen, stellte ich die Funkfrequenz ZRH Delta ein. Da kam auch schon die Meldung, dass der Luftraum Engadin bis 4'500 m frei sei, dass aber nur noch bis 15:15 Uhr. Noch eine halbe Stunde, und die 4'500 m reichten auch nicht für 3'000 m Überhöhung.
In Italien (Lombardei) aber, war der Luftraum erst gedeckelt bei 5'000 m, und über dem Livigno-Tal sogar erst bei 5'600 m.ü.M! Und da stand auch ein schöner, runder und aktiver Cumulus. Eingestiegen mit 3'900 m steigerte sich der Höhenmeter mit 2.5 m/Sek. bis er endlich die ersehnten 4'965 m.ü.M. anzeigte. Endlich geschafft, und dieser Ausblick, das ganze Bernina-Massiv lag vor mir zu Füssen.
Durch den Neustart des Motors beim Abflug, konnte ich das Dreieck nicht mehr erfüllen, aber die Höhendifferenz! Diese schien mir deutlich wichtiger. Ist es doch sehr selten, einen Tag mit diesen hohen Basen zu finden.
Am folgenden Tag konzentrierte ich mich auf das FAI- Dreieck.
Das Wetter zeigte sich ähnlich, einfach mit deutlich weniger hohen Wolkenbasen.
Vom Vortag gelernt, flog ich die gleiche Strecke ins Engadin resp. Bormio (1. Wendepunkt), wie einen Tag zuvor. Thermisch etwas flauer zeichnete der zweite Leg zum Gotthard (2. Wendepunkt).
Durch den Start vor 12:00 Uhr hatte ich aber genügend Zeit die Thermik ganz auszudrehen und auf sicheres Ankommen zu taktieren. Immer wieder fasziniert mich die Strecke vom Engadin nach Westen, und diese über den Alpen- Hauptkamm zu fliegen.
Der Ausblick in die Südschweiz mit den steilen Bergflanken und engen Tälern scheinen auch aus 3'300 m Höhe zum Greifen nahe. Zum Glück hatte ich den Wendepunkt «Gotthard» richtig gesetzt, lag dieser genau auf er thermischen Ideal-Linie.
Den gleichen Weg zurück, von Bart zu Bart bis an die noch sonnenbeschienen Osthänge vom Safiental. Die abflauende Thermik und der Nordwind zeigte nun Wirkung. Der immer schlechtere zentrierbare Aufwind, hatte schon beachtlichen Versatz Richtung Süden. Es sollte an diesem Tag mein letzter Bart gewesen sein, aber in diesem Moment dachte ich noch wesentlich optimistischer.
Jedes Nord-Süd ausgerichtete Tal beschleunigte den eh schon dominanten Wind. So war ich auf der Hut mich nicht von einem Lee erfassen zu lassen. Mit etwas Glück gelang mir am Lenzerhorn den Einflug ins Luv der Krete, die sich bis an die Gotschna erstreckte.
Mit Klappenstellung-2 querte ich danach durchs Lee an die Madrisa. Etwas angespannt suchte ich einen Weg durch die mächtigen und abgeschliffenen Felsspitzen der Sulzfluh. Endlich im Luv angekommen kam wieder Ruhe ins Spiel.
Die Geschwindigkeit etwas gedrosselt flog ich ohne Höhenverlust zum Lünersee. Schlussendlich erreichte ich entspannt die Ziellinie bei Diepoldsau und freute mich auf das Glace, das inzwischen nach einem längeren Flug zum Ritual geworden war.
Beide Flüge eingereicht, erfüllte ich die lang ersehnten Bedingungen für das Gold- C mit einem Diamanten.
13. August 2019, Roman Bühler